Demokratie als gemeinsamer Weg – Über den respektvollen Umgang mit politischen Unterschieden

Demokratie als gemeinsamer Weg – Über den respektvollen Umgang mit politischen Unterschieden

Demokratie als gemeinsamer Weg – Über den respektvollen Umgang mit politischen Unterschieden

# Wir in der Welt

Demokratie als gemeinsamer Weg – Über den respektvollen Umgang mit politischen Unterschieden

Wahlen werden neuerdings gern als Feste der Demokratie gepriesen, und ein solches Fest steht uns übermorgen bevor: Vorfreude ist angesagt! 

Aber alle Feste enden einmal, und ehe man sich ins Getümmel stürzt, sollte man darüber nachdenken, wie es hinterher weitergehen wird. Das gilt auch für das Fest der Demokratie. An dessen Ende wird es Gewinner und Verlierer geben. Diejenigen, deren politische Optionen und Präferenzen den Sieg davon getragen haben werden, werden sich freuen. Sie werden allerdings gut daran tun, auf allzu laute Triumphgesänge zu verzichten. 

Mit dem Sieg der eigenen politischen Richtung sind ja die Vertreter der konkurrierenden nicht einfach ins Unrecht gesetzt oder gar verschwunden – und die anstehenden Probleme erst recht nicht. 

Der gute Gewinner weiß, dass er auch mit den Verlierern wird auskommen und zusammenarbeiten müssen. Diese müssen sich nach der Wahl an die Einsicht gewöhnen, dass die politische Entwicklung der kommenden Jahre in eine Richtung gehen wird, die sie für weniger wünschenswert halten. Angesichts dessen droht ihnen die Gefahr, dass sie bitter werden und sich verhärten. 

Wie auch immer die Wahl am Sonntag ausgehen wird: Damit keine Gräben zwischen uns vertieft oder neu aufgerissen werden, ist es nützlich, an einige Voraussetzungen der demokratischen Grundordnung unseres Gemeinwesens zu erinnern. 

Sie hat ja nicht das Ziel, bestimmten politischen Haltungen zur Dauerdominanz zu verhelfen, sondern den Wettbewerb zwischen unterschiedlichen Wertvorstellungen und Politikkonzepten zu ordnen und zu regulieren. 

Sie setzt voraus, dass diese immer strittig sind, und deshalb verlangt sie von jedem mündigen Staatsbürger die Bereitschaft zu der prinzipiellen Einsicht, dass auch der politische Gegner recht haben, die eigene Position also irrtümlich oder falsch sein könnte. 

Wenn eine der Richtungen oder Parteien zuverlässig wüsste, was für alle gut und förderlich ist, käme ihr die Alleinherrschaft zu, und der Wettbewerb wäre Zeit- und Kraftverschwendung. Aber unsere demokratische Verfassung hält die Frage nach dem Richtigen und Förderlichen offen, und deshalb ist sie anstrengend und anspruchsvoll. 

Der von der Demokratie geforderte Verzicht auf absolute Wahrheitsansprüche im politischen Raum liegt gerade Christenmenschen nahe. 

Er fällt ihnen leichter als anderen, weil sie sich zu einer Wahrheit bekennen, die ihnen unverfügbar vor- und übergeordnet ist – in Jesus Christus, der sich selbst als den Weg die Wahrheit und das Leben bezeichnet und gerade deshalb sagt: „Niemand ist gut, als Gott allein“ (Markus-Evangelium, Kap. 10, Vers 18). 

Es ist dieser Glaube, der es uns möglich macht, den politischen Gegner und Konkurrenten wirklich anzuerkennen, denn ihm wie uns gilt das folgende Wort des protestantischen Aufklärers Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781): „Nicht die Wahrheit, in deren Besitz irgendein Mensch ist oder zu sein vermeinet, sondern die aufrichtige Mühe, die er angewandt hat, hinter die Wahrheit zu kommen, macht den Wert des Menschen“. 

Prof. Dr. Martin Ohst, Evangelische Kirchengemeinde Lennep 

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